Die chinesische Medizin umfasst die heilkundliche Theorie und Praxis von der vormedizinischen Heilkunde des 1. Jahrtausends v. Chr. bis zur heutigen Medizin in China und in der Tradition chinesischer Heilkunde ausgeübter Heilverfahren weltweit. Als traditionelle chinesische Medizin wird eben jene Heilkunde bezeichnet, die sich in China seit mehr als 2000 Jahren entwickelt hat. Das ursprüngliches Verbreitungsgebiet umfasst den ostasiatischen Raum, insbesondere Korea, Vietnam und Japan. Auf dieser Grundlage entwickelten sich eigene Varianten in diesen Ländern, wie zum Beispiel die japanische Kampō-Medizin. Der Begriff zhōngyī ist sowohl mit "chinesische Medizin“ als auch mit "TCM-Arzt“ übersetzbar. Die im "Westen“ gebräuchliche Bezeichnung traditionelle chinesische Medizin ist in China unüblich.
Zu den therapeutischen Verfahren der TCM zählen haupsächlich die Chinesische Arzneimitteltherapie, die Akupunktur sowie die Moxibustion (Erwärmung von Akupunkturpunkten). Zusammen mit Massagetechniken wie Tuina Anmo und Shiatsu, mit Bewegungsübungen wie Qigong und Taijiquan und mit einer am Wirkprofil der Arzneien ausgerichteten Diätetik werden die Verfahren heute gerne als die fünf Säulen der chinesischen Therapie bezeichnet. Die TCM ist die traditionelle Heilkunde mit dem größten Verbreitungsgebiet, insbesonders die Akupunktur wird heute weltweit praktiziert. Das größte einschlägige Forschungszentrum ist die Chinesische Akademie für traditionelle chinesische Medizin. 2010 berichtete Die Zeit, dass die Zahl der Institute, Universitätsprojekte und Pharmafirmen wachse, die mit neuen Methoden in den alten Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin nach Wirkstoffen suchen.
Die traditionelle chinesische Medizin ist mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum verbreitet. Sie hat eine Reihe von ärztlichen Gesellschaften hervorgebracht.
Der Begriff "Qi" spielt im medizinischen Diskurs der chinesischen Tradition eine Schlüsselrolle. Unser Organismus erscheint als außerordentlich komplexes Gefüge dynamischer Qi-Strukturen und ist eine auf Gleichgewicht aufgebaute Dynamik. Ist dieses Gleichgewicht gestört, braucht benötigt man einen erfahrenen Arzt, der mit hier auch im Gespräch mit dem Patienten die Ursache eben jener Störungen versucht zu lokalisieren. Es ist dann etwa von "Herz-Qi" die Rede, von "Leber-Qi“, von "aufsteigendem Qi“, von "Qi-Schwäche“ usw.
Das Gleichgewicht dieser Qi-Dynamik besteht im Ausgleich von Gegensätzen, die nach Mustern gebildet werden. Beschienen und schattig, männlich und weiblich, oben und unten, außen und innen, tätig und leidend usw. Der Form ihrer Gegensätzlichkeit nach werden sie unter das Begriffspaar "Yin und Yang" gebracht. Das eine hat nicht – wie etwa im Gegensatz von gut und böse – den Sieg über das andere davonzutragen, sondern findet seine Bestimmung nur in der Anerkennung und Förderung des Anderen. Der Gedanke, dass allem Geschehen in der Natur und in der Gesellschaft eine Spannung nach "Yin und Yang" innewohnt, ist nicht nur in der chinesischen Medizin zu finden.
Das Qi
An zweiter Stelle ist die Qi-Dynamik in einen Kreislauf eingebunden, der nach dem Muster von fünf Jahreszeiten verläuft. Jeder Kreis (Funktionskreis (TCM) oder Orbis) geht aus einem vorherigen hervor und in den nächsten über. Dabei entstehen Gegensätze und Paare etwa nach dem Muster des Verhältnisses zwischen Großmutter und Enkel. Den Jahreszeiten sind fünf Elemente zugeordnet: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Der menschliche Organismus wird als ein Zusammenwirken von fünf „Organen“ (Funktionskreisen) begriffen, von denen jedes seinen besonderen Bezug zu einem der fünf Elemente und einer der fünf Jahreszeiten hat. Die fünf Organe/Funktionskreise sind im Modus des Auseinander-Entstehens miteinander verbunden: Leber, Herz, Milz, Lunge und Nieren. Diese Organe/Funktionskreise decken sich nur teilweise mit dem uns vertrauten Begriff. Im „Herz“ zum Beispiel ist neben dem Organ als Pumpe das Vermögen zur treffenden Form eingeschlossen. Physisches und Psychisches gehen oft ununterscheidbar ineinander über.
Der wichtigste Unterschied zum westlichen Verständnis ist: Die fünf Organe/Funktionskreise sind ein sich selbst erfüllendes Ganzes, ein Mikrokosmos als Abbild eines Makrokosmos, der mit seinen Jahreszeiten und Elementen mit dem individuellen Organismus verknüpft ist. Die Organe/Funktionskreise verhalten sich zum Organismus wie die fünf Jahreszeiten zum Zyklus des Entstehens und Vergehens und die fünf Elemente (fünf Wandlungsphasen) zum Ganzen des materiellen Seins.
Bild: Die fünf Säulen der chinesischen Therapie
Qi wird häufig als "Energie“ oder "Kraft“ übersetzt. In chinesischen und japanischen Quellen findet man aber auch Beschreibungen, die ein stoffliches Konzept andeuten. Ähnlichen dem Pneuma der griechischen Medizin durchzieht dieses Qi in vielfältigen Ausformungen sowohl den Körper sowie die Außenwelt. Aus diesem Grund findet man auch in der modernen Alltagssprache unzählige Begriffe, die die Wortkomponente Qi enthalten. Im medizinischen Kontext wird es ebenfalls benutzt. Mit "Wei-Qi“ wird die Fähigkeit bezeichnet, schädlichen Witterungseinflüssen standzuhalten und Verletzungen und Infekte zu bewältigen. Es soll im wachen Organismus anders anwesend sein als im schlafenden und sich beim Einschlafen von der Oberfläche des Körpers ins Körperinnere zurückziehen. "Qigong“ bezeichnet dagegen "Arbeiten am Qi“.